Von der Düsseldorfer Hütte auf die Vertainspitze

 

Mitte Juli 2000 begann ich meinen Bergurlaub im Ortlergebiet. Im Sommer 1999 hatte ich den Ortler über den Hintergrat bestiegen. Die Königsspitze wollte ich in diesem Jahr besteigen. Um mich für diese Tour in Form zu bringen und auch die nötige Höhenanpassung zu erhalten, hatte ich mir erst mal einen leichteren Gipfel, die Vertainspitze ausgesucht. Auch musste ich noch ein paar Tage verstreichen lassen, da es sehr viel Schnee bis hinunter auf 2400m gegeben hatte. Der sollte sich erst mal setzen.

Ich hatte mir aus dem Alpensvereinsführer Ortleralpen den Weg 860 Nordostgrat ausgesucht. Einigen Stellen waren mit der Kletterschwierigkeit I bis II angegeben. Das traute ich mir ohne Seilpartner im Alleingang noch zu. Maximal ein bzw. ein und eine halbe Stunde auf dem Grat sollte man bis zum Südgipfel brauchen. Am Montag, dem 16. Juli, stieg ich vom Parkplatz der Talstation der Seilbahn zur Schaubach Hütte auf. Zuerst ging es auf einem Trimm-Dich-Pfad, hatte gleich noch mal ein paar Klimmzüge gemacht, weiter auf Wanderweg 12 zur Düsseldorfer Hütte (Zaytalhütte) 2721m hinauf. Als die Hütte in Sichtweite war, kamen mir noch viele Tagestouristen entgegen. Als ich gegen 15:15 Uhr endlich die Hütte erreichte, war es jedoch angenehm leer bis auf ein paar Jugendliche. Vor dem Abendbrot bin ich noch mal bis auf 3030 m aufgestiegen, um den Weg etwas zu erkunden und etwas für die Akklimatisierung zu tun, eine Erfahrung, die ich seit der Besteigung des Chimborazo beherzige. Die Schneegrenze begann bereits bei 2800 m. Das Abendbrot war ausgezeichnet. Als ich mich beim Hüttenwirt nach dem Weg erkundigte, gab er zu bedenken, daß weiter oben sehr viel Schnee lag. Er riet mir vom Gratweg ab. Ich sollte besser die Südflanke benutzen und mindestens die doppelte Wegzeit einplanen.

Düsseldorfer Hütte

Düsseldorfer Hütte

Angelus Scharte

Angelus Scharte

 
Gipfelgrat

Gipfelgrat

Nach einem guten Frühstück ging es 7:30 Uhr von der Hütte los. In der Nacht hatte es noch mal bis zur Hütte hinunter geschneit. Der erste Teil des Weges war noch gespurt. In der Flanke hinauf zur Angelus Scharte musste ich mich dann durch kniehohen Schnee kämpfen. Meine Steigeisen hatte ich angelegt, da ab und zu Eis unter dem Schnee zum Vorschein kam. Der Hang wurde nach und nach steiler bis über 35°, was den Aufstieg immer mühsamer werden lies. Nach dreieinhalb Stunden war ich oben auf der Angelus Scharte. Hier machte ich eine kurze Fotopause, dann ging es auf der anderen Seite erstmal wieder ein ganzes Stück hinunter. Eine Spur war nur kurze Zeit vorhanden. Weiter mühte ich mich durch knietiefen Schnee. Dabei dachte ich an die Empfehlung des Hüttenwirts. Der Gratweg war vollkommen zugeschneit. Das wäre zu anstrengend geworden und hätte zu lange gedauert. Aber als ich mir während einer längeren Pause, die Ostflanke ansah, so erschien diese mir durchaus machbar. Etwas rechts vom Südgipfel ging es im Zickzack weniger steil hinauf. Dann war es noch ein kleines Stück Weg auf dem Grat. Klettern brauchte man nicht. Die Steigeisen, mein Eispickel und der tiefe Schnee gaben mir im 40° steilen Gelände halt. 11:30 Uhr stand ich endlich auf dem Gipfel. Das Wetter war prima. Hier oben wurde ich durch einen tollen Rundblick belohnt. Im Südwesten zeigten sich Königsspitze, Gran Zebru und Ortler in ihrer ganzen imposanten Größe sehr winterliche, tief verschneit.

Ich hielt mich nicht lange auf dem Gipfel auf, da ich noch einen langen Abstieg nach Sulden vor mir hatte. Ich wählte die Südflanke, die laut Führer unschwierig sein sollte und mir deshalb als Abstiegsweg geeignet erschien. Weiter unten traf ich wieder auf Wanderweg 12. So hatte sich der Kreis geschlossen. Gegen 16:30 Uhr nach 3 Stunden Abstieg war ich wieder am Seilbahnparkplatz. Endlich die Schalenstiefel ausziehen, das war ein wunderbares Gefühl. An diesem Tag suchte ich mir noch ein Hotelzimmer. Nach einer anstrengenden Bergtour hatte ich mir etwas Komfort verdient.

 
Gipfelkreuz der Vertainspitze 3541 m
Gipfelgrat in Richtung Hoher Angelus
Links, Vertainspitze
 

Gipfelkreuz der Vertainspitze 3541 m

Gipfelgrat in Richtung Hoher Angelus

Links, Vertainspitze

 
   
    © 2002 by Ronald Scheffler